top of page
AutorenbildEleni Ioannidou

Das Europäische Kulturerbe

Aktualisiert: 18. Apr.


Gedanken zu Karfreitag

Ich erlebe die Karwoche 2024 in Görlitz, einer Stadt, die beindruckend reich an Kulturerbe und Geschichte ist. In der Dreifaltigkeitskirche, einem Meisterwerk der Gotik, ist jede Wand und jedes Fresko original aus der Zeit, als die Franziskaner in der Stadt 1234 ein Kloster gründeten. In der geheimnisvollen Atmosphäre der lange nicht sanierten Mauern wo man den Duft der Zeit spürt, vor dem geschlossenen Altar der Barbarakapelle durfte ich gestern, Gründonnerstag, mit anderen Görlitzer Gläubiger das Leib und Blut Christi bekommen, in Form einer Hostie und Becher mit Wein.

Heute Karfreitag, folgte ich zum ersten Mal, zusammen mit vielen Görlitzern den Kreuzweg von der Peterskirche zum Heiligen Grab Christi, das eine exakte Kopie des Heiligen Grabes von Jerusalem ist, erbaut um 1489.


Görlitz liegt im Zentrum Europas und mitten auf der Via Regia, dieser mittelalterlichen Route, die ganz Europa von Russland bis Portugal durchquert. Sie verbindet einige der bedeutendsten Kulturstädte Europas, insbesondere jene Orte, die Zentrum des kulturellen und politischen Geschehens in Europa nach dem Ende der Antike wurden, als dieses Zentrum nach dem Fall des römischen Imperiums sich vom Süden und Osten in den Rest Europas bewegte. In jeder dieser Städte, ob Kiew, Krakau, Görlitz, Eisenach, Aachen, Maastricht, Paris usw., ereigneten sich grundlegende Ereignisse in der Geschichte und Kultur Europas. Ein Pilger auf diesem Weg kann über diese Vergangenheit nachdenken und versuchen zu verstehen, was die Quintessenz und Schatz unseres Kontinents sei. (Bilder: aus einem Besuch Anfang März der Lutherstadt und Bach-Stadt Eisenach).



Ich bin entfernt davon dieses große Geheimnis verstanden zu haben, aber in der Mitte des Lebens (ich bin jetzt 51 Jahre alt) habe ich eine ungefähre Ahnung was das sein könnte. Das möchte ich heute, Karfreitag, versuchen zu erklären.


Diese Gedanken wollte ich schon seit langer Zeit schreiben, weil sie mit dem Jahr der Romantik verbunden sind. Heute aber, am Karfreitag, nahm ich die Entscheidung das endlich zu tun. Die Energie dieses Tages ist etwas Besonderes. Der Trauertag um den Tod von Jesus, haben die Romantiker als einen besonders wichtigen Tag empfunden: der Tag der Reue um die Sünde und Schwäche in Angesicht der Ungerechtigkeit der Welt, das Menschendrama. Wie können wir seit Jahrtausenden die absolute Güte der göttlichen Natur so schaden?

Beim Betrachten und Nachdenken über das Verfehlen der Freunde und die Gefühllosigkeit der Feinde von Jesus, und unter dem Einfluss einer tiefgreifenden Berührung, wird Karfreitag zum Tag des Erwachens, ähnlich mit dem Erwachen in der Natur nach dem langen Winter. Wir begreifen die allgemeine warme Güte, Großzügigkeit und wohlwollenden Willen - das, was wir Liebe nennen - der Kreatur in diesem Moment der Neugeburt. Richard Wagner beschreibt diesen Moment musikalisch und dramaturgisch im Parsifal´s "Karfreitags-Zauber".


Es ist der Moment des Erwachens vor dem Kreuz, als wir begreifen mit allen Sinne die Reinheit und Erneuerungskraft der Natur. Es ist allerdings dieser Geist und Materie die Quintessenz der Romantik, wie wir sie auch in den zahlreichen Bilder von Caspar David Friedrich sehen können. (Bilder: Heiliger Grab in Görlitz und Ölberg-Garten sowie ein Friedrich´s Kreuz).



Auch der Pilger und Wanderer der Romantik beschritt vor 200 Jahren den Weg der Stätte, an der jene bedeutende Europäer vor ihm Steine auf einem Gebäude legten, das wir heute Europäisches Kulturerbe nennen.


In diesem Zusammenhang wage ich es nun, meine Interpretation des „Heiligen Grals“ zu erläutern, der für viele Künstlern insbesondere die spirituellsten, bewusst oder unbewusst wichtig war. Gral ist ein legänderer Kelch, das in den Legende von Arthur und die Ritter der Tafelrunde, sowie in der Parsifal-Legende von Wolfram von Eschenbach und Chrétien de Troyes eine Rolle spielt. Dieser Mythus entstand im Mittelalter, an der Zeit der Kreuzzüge und Ritter und deswegen vielleicht wurde mit dem Christentum verbunden, das um die Zeit bedroht war und verteidigt wurde.

In diesem Kelch, sammelte Joseph von Arimathea das Blut Jesu nach der Verwundung durch die Lanze - so schreibte in einem Gedicht Robert de Boron um 1190, kurz vor dem Ersten Kreuzzug also, Eine Liebe, die diese Welt menschlicher, oder besser gesagt, göttlicher, gerechter, schöner, friedlicher, perfekter machen soll.

Und eine Liebe die geschützt werden soll, weil in der Passion Christi alle Protagonisten, Jünker, Pilatus, Herodes, seine Gefolgschaft, vor allem die Frauen, verfehlt haben zu schützen.

Für mich bedeutet dieser Pokal mit dem Wein (Spiritus) das Leben und Werk vieler Europäer auf dem Weg zur Perfektionierung unserer Zivilisation. Jeder von ihnen hat mit seinem Leben, seiner geistigen Arbeit, sein Werk und seiner Geschichte – inspiriert von anderen ähnlichen leuchtenden Figuren vor ihm und alle zusammen von Jesus – dafür gesorgt, dass dieser Kelch immer lebendig bleibt, eine Quelle der Heilung, der Neugeburt, der Güte für Gegenwart und Zukunft.


Ich sehe auch die Romantiker – vielleicht sahen sie sich selbst auch so – als symbolische „Ritter des Heiligen Grals“. Es ist ein Kampf ohne Blutvergießen, kein Krieg. Es ist ein geistiger Kampf um das Gute zu bewahren - Sie "kämpften" mit Schriften, Bildern, Musik, Forschung, ,mit ihren Reden und ihrer politischen Arbeit. Liebevoll, nicht mit Gewalt, einfach Licht verbreitend.

Natürlich waren nicht alle Herrscher, Politiker, Forscher und Künstler in Europa von solchen Idealen inspiriert. Auch auf unserem Kontinent kam es zu schrecklichen Kriegen und Verbrechen. Dennoch gelang es den Arbeitern guten Willens durch diese Arbeit - an der Waage der Werte, das Gute überwiegen zu lassen, Und so leben wir in einer besseren Welt als sie vor 1000, 700, 500 oder 200 Jahren war. Dieser Weg Richtung Vollkommenheit geht weiter.



Auf dem Wawel, dem historischen Sitz der polnischen Könige in Krakau, startet in dieser Tage eine Ausstellung mit Wawel-Bildern des polnischen Malers Stanisław Wyspiański, Krakau liegt auch auf der Via Regia. Der universale Künstler Wyspiański,, weil er wie die Künstler der Renaissance Maler, Theaterschriftsteller und Dichter aber auch Musiker war, betrachtete dieses Denkmal als eine "Akropolis" von Athen. In seinem Stück (1903) unter diesem Titel, sah er den Wawel als Heiligtum des polnischen Volkes und Geistes, so wie die Akropolis in Athen, einen Tempel der kämpfenden Göttin der Weisheit und der Künste Athene war. Figuren aus Homer und griechische Mythologie, Götter und Menschen, Figuren aus polnischen Volkssagen und biblische Figuren treten symbolisch im Stück auf - alle enspringen aus Kunstwerken die sich im Wawel befinden, und an der Inspiration des Malers sprachen. Alles das geschieht am Ostern der Auferstehung Jesu Christi. Um 1906 Polen litt unter der Dominanz von Fremdmächten und träumte von einer Wiedergeburt der polnischen Nation.


Das lässt uns darüber nachdenken: Was genau war dieser "Gral" für die Künstler der Jahrhundertwende? Der wahre „Schatz Europas“, der Kelch mit dem "Blut Christi", was die Hüter Europas, die Künstler und Wissenschaftler, fleißig aufbewahrt haben? Und dieser Schatz wurde bewahrt, weil er uns jederzeit neues Leben und Heilung schenken kann. Reine Musik, Wahrheit der Philosophie, Entdeckungen aus der Gesetze der Natur, Medizin und Poesie, alles das kann uns heilen, nach dem sich auch Wyspianski sehnte, in dieser bitteren Zeit, als Polen unter dem Joch der Fremdmacht war.

Wenn man sich das literarische Werk des Romantikers Juliusz Słowacki (und vielen anderen Klassikern und Romantikern) sowie den Malern derselben Zeit von der Aufklärung bis zur Romantik ansieht, erkennt man auch dort - so wie in Akropolis, dass folgenden Elemente für diese Menschen von grundlegender Bedeutung waren:

  • Die Werke der Antike, also literarische Werke, Mythologie, Philosophie sowie die Ästhetik von Kunst und Architektur.

  • Das christliche Erbe, das aus dieser Antike hervorgeht, nachdem die besten Elemente dieser Antike und der jüdischen Religion zusammengetragen wurden, nach der Verbreitung des Christentums über Griechenland und Rom nach Europa.

  • Das jüdische Erbe, also die Bibel, der Messianismus, der Glaube an einen Gott.

  • Die vorchristlichen Legenden und Mythen Europas, die mit den Wurzeln der europäischen Völker verbunden sind, also die ethnische Identität und Sprache dieser Völker bestimmen. Diese Volkstraditionen und vorchristliche Religionen waren auch eng mit der Verehrung der Natur verbunden.

  • Die Errungenschaften der Geister Europas vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Vor allem die Renaissance und die Aufklärung scheinen eine besondere Bedeutung für diese Künstler zu haben. Die Befreiung des Menschen aus der Sklaverei, die Bildung des einfachen Volkes, die Überwindung der Armut, die Befreiung der Frau und die Verabschiedung der Charta der Menschenrechte und des Völkerrechts nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der Wunsch nach einer friedlichen und gerechten Gesellschaft. Wenn wir heute viele von diesen Gütern frei leben dürfen, verdanken wir alles der Arbeit (oft mit Opfer) dieser Männer und Frauen vor unserer Zeit.


In jedem historischen Moment, aber besonders in diesen schwierigen Momenten der Krise, des Krieges und der Verwirrung, können wir immer innehalten und uns an diesen Schatz erinnern: alles, was unsere Vorfahren uns als das Wertvollste hinterlassen haben. Während sie mit dem Gedanken an eine bessere zukünftige Welt arbeiteten, mit dem Bewusstsein der Vergangenheit ihres Volkes, hinterließen sie Werke, die heute die Kraft haben, uns zu inspirieren und uns Wege aus der Krise zu zeigen. (Bilder aus einer Reise Anfang März nach Maastricht, Herzogenbusch und Aachen).



Ich bin jetzt davon überzeugt, dass alles, was ein Künstler aus so einem Ideal begeistert schafft, ewig ist und zukünftige Generationen dazu inspirieren wird, sich vom Unheil seiner Zeit zu erholen. In derer Werke steckt der Heilige Geist, und mittels dieser Werke breitet Er sich in Zeit und Raum aus. Die Legende der Ritter des Heiligen Grals besagt, dass sie asketisch und keusch lebten und sich der Hilfe für Menschen widmeten.

Ich denke, dass solange die Motivation, etwas zu schaffen, ein anderer ist, als Menschen zu helfen, wenn die Motivation zum Beispiel ist, reich und berühmt zu werden, ist Kunst nur kurzlebig. Und es dient nicht dem Zweck, die Menschheit zu verbessern. Vielleicht dient sie zur kurzzeitigen Unterhaltung, was nicht schlecht ist, aber die Berufung der Kunst, als geistige Disziplin ist die Welt zu heilen.

Die große Dramatiker der Antike, als sie "Prometheus", "Troades", "Bacche" oder "Oedypus" schrieben, oder Homer und Hesiod, Seneca und Ovidius, die Renaissance Dichter, Erasmus und Spinoza, Rousseau, nun auch Musiker, Monteverdi und Orlando di Lasso, Schütz, Bach, Mozart, Schubert und Beethoven.... als sie ihre Werke schrieben dachten sie wenig an Ruhm und Reichtum. Würden Gallileo, Giordano Bruno, Copernicus oder die anderen Forscher es nicht wagen, ihre revolutionären Ideen der Welt mitzuteilen, weil sie dafür verfolgt wären - würden wir heute immer noch im Mittelalter leben. Diese Menschen, stark von einem inneren Impuls geführt, entgegen gesellschaftlicher Konventionen, oft in Armut, allein und verfolgt, wie Jesus, widmeten ihre letzten Stunden ihrer Kunst und Wissenschaft. Sie erschufen damit den Geist, womit sie ihre Generation und spätere Generationen weiterhin erleuchten konnten, So dürfte die Welt eines Tages ein besserer Ort sein, an dem Künstler und Menschen wie sie selbst, nicht mehr leiden würden.


Nach der Romantik kam das 20. Jahrhundert. Viele ähnliche Geister haben den Kelch des Blutes Jesu weiterhin geschützt, Insbesondere in Krisenzeiten erscheinen sie, oder werden sie zur Aktion "erwacht", und sich mutig für das Licht der Menschheit einzusetzen. Und heute, ja heute, gibt es sie auch, diese "Gralsritter".

Diese Welt wird niemals untergehen und wir werden in jeder Krisenzeit Lösungen für alle Probleme und Heilung finden können, weil wir diesen Schatz haben, der uns immer inspirieren wird und uns eine Neugeburt in Glück und Schönheit schenken kann. Wie dieser Frühling, der die Natur gerade wieder zum Erwachen bringt. (Bild: Nikolaifriedhof heute)



9 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page