Biography
Radoslava Vorgić ist eine serbische Sopranistin, die für ihre feinsinnigen Interpretationen der Barock- und Alten Musik ebenso geschätzt wird wie für ihre sensible und stilistisch präzise Arbeit im Lied-, Kammer- und zeitgenössischen Repertoire. Als vielseitige und ausdrucksstarke Künstlerin verbindet sie intellektuelle Tiefe, emotionale Nuancierung und technische Meisterschaft in jedem ihrer Projekte.
Ihre musikalische Ausbildung begann Radoslava in Novi Sad (Serbien), wo sie Musikpädagogik und klassischen Gesang an der Akademie der Künste studierte, unter der Mentorschaft der Sopranistin Milica Stojadinović. Ihre Leidenschaft für historisch informierte Aufführungspraxis führte sie nach Deutschland, wo sie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ihr Masterstudium sowie das Konzertexamen absolvierte. Dort studierte sie bei der renommierten Mezzosopranistin Claudia Eder.
Radoslava Vorgić promovierte im Fach Darstellende Künste an der Universität Novi Sad. Ihre Dissertation widmete sich dem barocken Gesang und der Interpretation mit besonderem Fokus auf die vokale Kunst und historische Bedeutung von Francesca Cuzzoni. Ihre Forschung untersucht stilistische, rhetorische und expressive Aspekte der vokalen Technik und Ästhetik des 18. Jahrhunderts und bildet bis heute eine tragende Grundlage ihrer künstlerischen Arbeit.
Prägend für ihre künstlerische Entwicklung waren Meisterkurse und Zusammenarbeiten mit führenden Persönlichkeiten der Alten Musik und des Kunstlieds, darunter Emma Kirkby, Andreas Scholl, Ton Koopman, Anna Bonitatibus, Elisabeth Scholl, Dame Felicity Lott, Martin Gester, Julius Drake und Helen Donath. Diese Begegnungen vertieften ihr Verständnis für vokale Authentizität, musikalische Rhetorik und poetischen Ausdruck.
Radoslava ist Preisträgerin mehrerer internationaler Wettbewerbe, darunter des Kammeropern-Gesangswettbewerbs Rheinsberg, des IBLA Grand Prize in Italien (Sonderpreis für Händel) sowie des Internationalen Mastersinger-Kurses in Neustadt an der Weinstraße. Zudem wurde sie beim TAMIS Barockwettbewerb in Saarbrücken ausgezeichnet, was ihre Stellung als eine der markantesten Barockstimmen ihrer Generation unterstreicht.
Ihre Opern- und Konzerttätigkeit führte sie auf zahlreiche bedeutende Bühnen und Festivals in ganz Europa. Sie war Mitglied des Jungen Ensembles am Staatstheater Mainz, trat als Gastsolistin am Staatstheater Wiesbaden auf und arbeitet regelmäßig mit der New Belgrade Opera zusammen. Darüber hinaus konzertierte sie u. a. beim Rheingau Musik Festival, in Liederabenden sowie mit zahlreichen Alte-Musik-Ensembles in West- und Osteuropa.
Ihr Opernrepertoire zeichnet sich durch eine bemerkenswerte stilistische Bandbreite aus – von Barock über Klassik und Romantik bis hin zur zeitgenössischen Musik. Im Barockfach verkörperte sie u. a. Angelica in Händels Orlando, Armida in Rinaldo, Abel in Scarlattis Il primo omicidio o Caino, Judith in Scarlattis Giuditta sowie Vespetta in Telemanns Pimpinone, Rollen, die für ihre rhetorische Intensität und historische Authentizität geschätzt wurden. Zu ihren Mozart-Partien zählt die virtuose Aspasia in Mitridate, re di Ponto. Im Belcanto überzeugte sie als Rosina in Rossinis Il barbiere di Siviglia. Weitere Rollen umfassen Lucia in Brittens The Rape of Lucretia, Koskoletto in Offenbachs Koskoletto sowie Maria Belacanta in Peter Lunds Witch Hillary Goes to the Opera. Als engagierte Interpretin Neuer Musik arbeitet sie regelmäßig mit lebenden Komponistinnen und Komponisten zusammen und kreierte mehrere Rollen in zeitgenössischen Opern.
Neben der Oper gilt ihre besondere Leidenschaft dem Kunstlied und der Kammermusik. Gemeinsam mit der Pianistin Nevena Sovtić gründete sie ArtSong Novi Sad, die erste serbische Vereinigung zur Förderung des Kunstlieds. Das Duo widmet sich sowohl der Uraufführung zeitgenössischer serbischer Werke als auch thematischen Liedprogrammen wie „Who is Ophelia?“ und „Shakespeare in Song“.
Radoslava Vorgić ist derzeit als Dozentin an der Akademie der Künste in Novi Sad tätig, wo sie im Fachbereich Musik unterrichtet. Dort engagiert sie sich intensiv für die künstlerische und akademische Ausbildung junger Musikerinnen und Musiker, mit besonderem Schwerpunkt auf interdisziplinären und stilistisch fundierten Interpretationsansätzen.
Die kommenden Spielzeiten sind geprägt von ambitionierten Projekten an der Schnittstelle von Aufführung, Lehre und künstlerischer Forschung. In der ersten Jahreshälfte nahm Radoslava Vorgić am Residenzprogramm „Rediscovering Hammerschmidt“ organisiert von Ars Augusta (Deutschland) und gefördert vom Goethe-Institut sowie durch Creative Europe. Das Projekt widmete sich der Wiederentdeckung und historisch informierten Interpretation des Werks von Andreas Hammerschmidt und verband intensive Quellenarbeit, Ensemblearbeit und öffentliche Aufführungen. Es vertiefte Ihre Auseinandersetzung mit dem mitteldeutschen frühbarocken Repertoire und stärkte zugleich ihre internationale künstlerische Vernetzung. Zu den weiteren Höhepunkten zählen die konzertante Aufführung von George Enescus monumentaler Oper Œdipe unter der Leitung von Gabriel Bebeșelea in Timișoara und Novi Sad, das neue Liederprogramm „Fairytale in Art Song“ mit dem Duo Vorgić–Sovtić sowie das mittelalterliche Projekt Lux Aeterna mit ihrem Ensemble Musica Antiqua Neoplantensis. Darüber hinaus wird sie eine Meisterklasse zur barocken Gesangsrhetorik in Belgrad leiten, als Mentorin an der Belgrade Baroque Academy für Händels Alcina wirken und im Konzert „Russian Soul“ gemeinsam mit der Sopranistin Sonja Šarić und der Pianistin Rita Kinka auftreten. Zum Jahresende folgt die Aufnahme der CD Untranslatable Songs, die der zeitgenössischen serbischen Liedkunst gewidmet ist.
Im kommenden Jahr erwartet Radoslava Vorgić zudem mit dem Ensemble Musica Antiqua Neoplantensis das EU-geförderte Projekt Bridge Cantata, ein internationales Vorhaben, das musikalische Zusammenarbeit, kulturellen Dialog und zeitgenössische Perspektiven auf historisches Repertoire miteinander verbindet.
Ob auf der Opernbühne, im Liedrezital oder im Unterricht – Radoslava Vorgić verfolgt stets ein zentrales Anliegen: der Musik in ihrer tiefsten, menschlichsten Dimension eine Stimme zu geben.

