Verdi wäre in Görlitz glücklich!
- Eleni Ioannidou
- 26. Okt.
- 11 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Okt.
„Messa da Requiem“ von Giuseppe Verdi in der Kreuzkirche am Samstag, 25. Oktober. Bach-Chor, Neue Lausitzer Philharmonie, Dirigent: Reinhard Seeliger. Meine Eindrücke.
Warum maße ich mir an zu wissen, was Verdi lieben würde oder nicht? Wer bin ich, wenn nicht nur eine unbekannte Sängerin, die mit 53 in Görlitz gestrandet ist? Allerdings ist meine Geschichte mit Peppino, dem „Schwan von Busseto“, wie man ihn in Italien nennt, ziemlich lang. Metaphysisch betrachte ich Giuseppe als meinen guten „Freund“.
Mein erster öffentlicher Gesangsauftritt als Studentin, mit 19, war das „Miserere“ aus Verdis "Trovatore" mit dem Chor des Konservatoriums in Volos, das ich parallel zu meinem Agrarstudium besuchte. Der Direktor meines Konservatoriums war ein Chordirigent, der - wie Reinhard Seeliger - einen großen Laienchor in Volos leitete. Die Stadt im Schatten des Pilion, so klein wie Görlitz, wurde das „Wien Griechenlands“ genannt, weil sie fast so viel Kultur hatte wie die größte Musikmetropole der Welt. Das lag sicherlich auch an Männern wie Yannis Karkalas. Sein Chor war berühmt; er bereiste damit die ganze Welt und schrieb Chorwerke, Hymnen und Bearbeitungen dafür. 2023 erhielt er für seine Verdienste das Goldene Kreuz der Metropole. Yannis Karkalas wurde als Erster auf mich aufmerksam, setzte mich oft als Solistin in seinem Chor, bis ich das Konservatorium abschloss und mein Studium in Athen bei Kostas Paschalis fortsetzte, eine schicksalshafte Begegnung, die ich Yannis verdanke, denn um seinen Geist versammelten sich wahre Größen, wie auch meine Lehrerin Kitsa Damasioti.
Es hat einen Grund, warum ich mein Bericht mit diesem Erlebnis beginne, auch wenn es eigentlich um „Verdis Requiem“ in Görlitz geht. Der Protagonist meiner heutigen Geschichte ist Reinhard Seeliger, ebenfalls Chorleiter eines Laienchors. Folgt mir also bitte. Ich möchte Euch, liebe Leser, zeigen, dass wahre Größe oft im Kleinen und in bescheidenen Verhältnissen zu finden ist. Das ist nicht nur Fakt sondern auch eine christliche Maxime ("Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.")
Später kehrte ich als Solistin zum Chor zurück, weil Yannis in einem Programm das berühmte "a cappella" Stück für Sopran und Chor aus Verdis "Requiem" spielte. Eines der fesselndsten Stücke, die je für Chor und Sopran geschrieben wurden. Diese herzreissende Anrufung im Zentrum des dramatischen „Libera me domine“, bei dem alle Sänger innehalten und mit sanften Stimmen an den Herrn für inneren Frieden beten. Die Sopranstimme tritt als Fürsprecherin für den Rest der Menschheit auf, singt mal laut, mal leise, mal eindringlich, mal hingebungsvoll und schließt ihr kurzes Lied mit dem Wort „Requiem“ in einem Sprung zum hohen-B, das Verdi mit „pppp“ markierte. Ein Ton, fast wie Stille, aber hochschwingend – war für Giuseppe Verdi der perfekte Ton, um das Herz des Herrn zu durchdringen und Erbarmen für die Menschheit zu erlangen.
Ich hatte zwar keine so tolle Stimme wie die gestrige Sopranistin, aber ich hatte diese kleine Gabe: Ich meine ein hohes B, sogar ein C, das ich ganz pianissimo zu singen vermochte. Das ebnete mir den Weg als Sängerin. Als Verdi-Sopran hätte ich es sowieso gebraucht, denn hohe Pianissimi findet man überall in den Sopran-Partien in Verdi, wie etwa in Leonoras Arie „D’amor sull’ali rosee“ in "Trovatore", oder das berühmte „Invan la pace“ pianissimo "b" in Leonoras Arie „Pace, pace mio Dio“ aus "La forza del destino" mit dem ich ebenfalls alle Wettbewerbe gewann, oder das "Ave" am Ende Desdemona´s "Ave Maria". Verdi und überhaupt Musik, "ohne Leidenschaft - ist gar keine richtige Musik“, sagte mir ein Juror beim Wettbewerb „Voci verdiane“ in Busseto und rechtfertigte damit, wie sich eine Stimme wie die meine für das Finale dieses großen Wettbewerbes qualifiziert hatte. Ich sang damals eine andere berühmte dramatische Szene mit einem berühmten Pianissimo-C-Ton: Lady Macbeths Somnambulismus-Szene und beeindruckte Leyla Gencer die mich später in die Accademia della Scala di Milano aufnahm. Leyla Gencer übrigens, die polnisch-türkische legändere Primadonna, damals Leiterin der Opernakademie der Mailänder Scala, feierte ihr Geburtstag wie Giuseppe Verdi, am 10.Oktober.
Giuseppe Verdi wurde in Roncole, nahe Busseto, in einer bescheidenen Familie von Gastwirten geboren, die an einem Scheideweg eine Gaststätte hatte. Sein eigener Weg war nicht leicht; sein Stern führte ihn durch viele Enttäuschungen, zum Beispiel die Ablehnung eines Studiums am Mailänder Konservatorium, dem gleichen Konservatorium, das heute seinen Namen trägt. Seine ersten Opern waren erfolglos, und er wollte schon aufgeben, als Themistocle Solera mit dem Libretto für "Nabucco" zu ihm kam, das ihm den Durchbruch brachte. Die Legende erzählt wie Verdi seinen Entschluss, mit dem Komponieren aufzuhören, überdachte, als er zufällig die Seite des Libretto mit dem Chor „Va pensiero sull´ali dorate“ las, dem berühmten Hymnus des hebräischen Volkes im babylonischen Exil. Wir werden es bald in Görlitz hören, denn am Samstag, dem 1. November, wird „Nabucco“ im Gerhart-Hauptmann-Theater aufgeführt.
So ist das Leben außergewöhnlicher Geister: Sie müssen mit Herausforderungen kämpfen, und wenn sie stark genug sind, nicht zu brechen, schmücken sie ihren spirituellen "Palast" mit einer neuen "Trophäe" und entwickeln sich zu immer "reicheren" Größen.
Giuseppe wurde tatsächlich später reich und setzte seinen Reichtum großzügig zum Wohle der Schwächsten ein. Er baute ein Krankenhaus nah an Roncole, schenkte Stipendien an begabte Kinder und schließlich eröffnete er die wunderschöne „Casa Verdi“ in Mailand, ein Altersheim für mittellose Musiker, wo er mit seiner lieben zweiten Frau, Giuseppina Strepponi, begraben liegt. Ich hatte die Ehre und Freude als Studentin der Accademia della Scala für zwei Jahre dort zu wohnen. Mit meinen Kollegen der Accademia sangen wir oft im wunderschönen Konzertsaal mit der Orgel für die ältere Bewohner des Altersheimes. Im Speisesaal führte ich unzählige Gespräche mit alten Musikern, die mir Geschichten aus den goldenen Jahren der Musik in Italien erzählten, und dort bekam ich eines Tages zum Geburtstag das Neue Testament geschenkt. Lilly Steiner, eine Jüdin, schenkte es mir, weil sie dachte, es würde mir sehr gefallen. Wie Verdi, warf ich damals das Buch aufs Bett in meinem Zimmer, enttäuscht von dem "langweiligen" Geschenk. Es öffnete sich, und ich las neugierig, und was ich las, war voller Licht und ich began das Christentum zu entdecken Das alles und mehr habe ich in der "Casa Verdi" erlebt, wo mein Zimmer unweit der Josefskapelle lag, die Verdi im Haus direkt über seiner Grabkapelle errichten ließ. Jedes Jahr, Tausende aus aller Welt besuchen ihn, wie auf einer Pilgerreise um zu ihn und dem heiligen Joseph (Giuseppe) über seiner Grabstätte zu beten.
Verdis Musik ist hochspirituell. Es gibt fast keine Oper ohne ein Gebet. Meine Lieblingsgebete sind zum Beispiel „Non punirmi Signor“ für Bariton-Sopran und A-cappella-Chor aus der Oper „Stiffelio“ (über einen protestantischen Priester), „La vergine degli Angeli“ aus „La Forza del Destino“ (oft mit Yannis gesungen) oder das „Ave Maria“ aus "Othello". Verdi hat dennoch nur zwei rein spirituelle Werke komponiert, und das ist das „Requiem“ (1874) und die „Quattro Pezzi Sacri“ (1898), ein Werk aus Verdis Reifezeit, da er 1900 starb. Das "Requiem" sang ich übrigens während meines Studiums in Italien, im Chor der "Arena di Verona" unter dem Dirigat von George Pretre.
Und nun sind wir bereit, am Samstag, dem 25. Oktober, die Kreuzkirche in der Görlitzer Südstadt zu betreten, um die „Messa da Requiem“ zu hören. Ich möchte nun nicht weiter ausführlich auf die Architektur dieses Denkmals eingehen, das, kurz nach der Synagoge in Görlitz im Jahr 1919 gebaut wurde und ebenfalls viele Elemente des Jugendstils aufweist. Wo dort der Thoraschrein, wird der Altar der Kreuzkirche von einem riesigen Kreuz mit hängenden Weinreben ("Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben") dominiert, über dem die Inschrift „Das Wort des Kreuzes | Göttliche Kraft und göttliche Weisheit“ steht. Hinter dem Kreuz befindet sich eine mächtige Orgel.
Reinhard Seeliger übernahm dort die Aufführung dieses Meisterwerkes der christlichen Musikliteratur, das Verdi seinerzeit mit den besten Chören und Solisten Mailands sowie dem Orchester der La Scala zu Ehren von Alessandro Manzoni aufführte, einem der bedeutendsten Schriftsteller des vereinten Italiens, der Verdi hoch schätzte. Solisten waren damals die erste Protagonisten von „Aida“, wie etwa Teresa Stolz, die berühmte böhmische lyrisch-dramatische Sopranistin, Verdis Muse. Doch der Protagonist des „Requiems“ ist zweifellos der Chor. Eine sehr anspruchsvolle Partie, hoch und tief, laut und leise!
Gespannt warten wir auf die ersten Töne, um zu sehen, wie der Bach-Chor diese gigantische Aufgabe meistern wird. Als Orchester fungiert die Neue Lausitzer Philharmonie. Solisten: die junge polnische Sopranistin Alicja Ciesielczuk, Absolventin der Wiener Universität für Musik; die Dresdner Altistin Ewa Zeuner (aus Polen stammend); der syrisch-deutsche Tenor aus Leipzig André Khamasmie; und der Dresdner Kammersänger und Bariton Matthias Hennenberg. Im Chor sangen der Görlitzer Bach-Chor, die Ephoral Kantorei Löbau-Zittau und der Oratorienchor Hoyerswerda gemeinsam.
Das "Requiem" beginnt: Das Orchester klingt leise, rund und sehr wohl intoniert; der Chor ist souverän und ebenso rund, geheimnisvoll und perfekt intoniert. Es war ein guter Auftakt und verspricht viel. Wir können uns entspannen und uns all den anderen Emotionen öffnen, die dieses Meisterwerk zu bieten hat.
Schon zu Beginn erkenne ich, was ich später noch oft erkennen werde: Reinhard Seeliger ist ein begnadeter Dirigent. Drei Eigenschaften fallen sofort an ihm auf. Erstens fühlt er sich als Diener des Textes. Kein dominantes Dirigenten-Ego steht zwischen den Musikern, dem Komponisten und dem Publikum. Er liest bescheiden die Partitur, die bereits mit allen Bemerkungen gefüllt ist, die Verdi sich vorgestellt hat. Er interpretiert alles so, wie es geschrieben steht, und erkennt so auch die perfekte Musikalität hinter der Partitur, die Tempi, wie laut, wie leise jede Phrase sein muss, damit der Geist des lateinischen Textes besser in die Herzen der Zuhörer eindringen kann. Er ist ein „Zauberer“, aber ein sehr guter, bescheidener, Gott dienender Zauberer der Töne. Genau das ist die zweite Eigenschaft, die ich an Reinhard schätze: sein gutmütiges Wesen. Schon bei einigen Proben und beim "Hammerschmidt-Projekt" durfte ich die Freundlichkeit, Toleranz und das Lächeln schätzen, mit der er sein Wissen an die Musiker weitergibt, egal ob es sich um Amateure Rentner oder berühmte Musiker handelt. Für ihn ist jeder Mensch,ein Kind Gottes: Aus jedem kann man einen schönen Ton zaubern, um Gott zu preisen. Ein Humanist eben. Die dritte Eigenschaft, die ich bei ihm schätze, ist seine Leidenschaft, also seine Liebe zur Musik, die es ihm ermöglicht, mit ganzem Körper und Geist alles zu geben, was er hat, und nach seinem Instinkt die richtigen Solisten auszuwählen, damit Schönheit entsteht. Diese Solisten erwidern seine Liebe. Sie beklagen sich nie über ein Tempo, das viel zu langsam für ihren Atem ist, sondern setzen sie all ihr Können um, gerade weil sie diesem Dirigenten vertrauen.

Beschreiben wir nun die vier Solisten, die gleich nach der Choreinleitung nacheinander das „Kyrie Eleison“ singen. Wow, was für ein Auftakt von diesem Tenor! Als käme er direkt von der Mailänder Scala; wir hatten das Glück, hier in Görlitz so eine italienische Tenorstimme zu hören! Perfekt intoniert, wunderschön, lyrisch und doch auch Held, mit guter Technik und so viel Intelligenz, dass er alle Tempi perfekt mitmachte und seinen Gesang sogar (oh Wunder) mit vielen echten Pianissimi bereicherte. Brillant! Der Bass folgt, und ich erkenne einen erfahrenen deutschen Bariton, der wohl Schubert-Liederabende meisterhaft singen würde und nun die Basspartie in Verdis Requiem übernimmt. Ein Geniestreich von Reinhard. Der Kammersänger der Dresdner Semperoper, Matthias Hennenberg, verfügt über das Können eines Meisters, genau das, was für die Basis des Sängerquartetts benötigt wird. Wie großartig ist es, Verdi mit einem deutschen Sänger zu hören, der mit Mozart, Wagner und Schubert ausgebildet wurde. Er singt mit seinem runden, schönen Bariton jedes Wort richtig, weil er weiß, was es bedeutet. Ich sehnte mich sofort danach, ihn als Germont, Nabucco und Miller zu hören, denn wir wissen, wie sehr Verdi Baritöne liebte! Er schrieb die schönsten Rollen und Arien für sie. Reinhards Instinkt führte ihn perfekt dazu, die Basspartie einem Verdi-Bariton zu geben. Bravo!
Und nun kommt die Mezzosopranistin, die im Requiem einige sehr wichtige Passagen zu singen hat. Bei der Uraufführung 1874 sang diese Partie die Amneris in Mailands „Aida“, österreichische Mezzosopranistin Maria Waldmann. Ewa Zeuner beeindruckte mich bereits in Carl Loewes Oratorium "Das Sühneopfer des Neuen Bundes" zu Ostern. Ein „Vocione“, wie die Italiener sagen würden, eine gigantische Stimme von höchster Qualität, und obwohl ihr Timbre eher an einen Wagner-Alt erinnert, bringt sie genau die richtige Dramatik, Lautstärke aber auch Lyrik in Verdis Musik. Es ist heutzutage selten, einen Verdi-Wagner-Alt wie diesen zu finden. Reinhard hat sie gefunden. Und schließlich kommt die Sopranistin, die Protagonistin dieses Quartetts.
Wir wissen, dass Verdi Teresa Stolz liebte. Das merkt man an der Musik, die er für sie schrieb. Die schönste Musik, die je für eine Sopranstimme geschrieben wurde. Alicja Ciesielczuk beginnt selbstbewusst und zeigt ein wunderschönes Instrument. Was für ein bezauberndes Timbre einer jugendlichen lyrischen Sopranistin, die in Italien sicherlich Erfolg haben könnte! Sie wird eine fantastische Desdemona sein. Leider ist sie heute Abend nicht in Bestform, wahrscheinlich leicht erkrankt? Aber sie meistert die schwierige Partie das ganze Stück über mit so viel Souveränität, Selbstsicherheit und Professionalität, dass ich von nun an nur so schreiben werde, als wäre sie in Topform. Ich übersehe die kleinen Atem- und Intonations-Schwächen: es waren nur Details im Vergleich zu allem, was sie uns bot. Wie professionell sie die hohen Töne weich und zurückhaltend hielt! Das ganze Quartett war hervorragend. Complimenti, Maestro.
Nun endet das „Requiem und Kyrie“, und alle warten auf das „Dies Irae“, bei dem wir den Chor als Solisten hören. Mein lieber Gott, wie kraftvoll das alles beginnt. Man hatte das Gefühl, wir wären schon beim Jüngsten Gericht, und hier ist der Chor der Propheten und Heiligen, der über uns richten wird. Das Orchester! Meisterhaft! Dies ist das berühmte „Deutsche Orchester“, das in der ganzen Welt für seine Professionalität, seinen klaren, disziplinierten Klang und seine Perfektion bekannt ist.
Aber der Chor! Wie ist es überhaupt möglich, dass dieser Amateurchor älterer Sänger aus der Oberlausitz diesen Klang aus Kehle und Körper hervorbringen kann? Sind das Reminiszenzen an die "glorreiche" Kultur der DDR? Wir dürfen nicht vergessen, ob Kommunismus oder nicht, es gab hier vor dem Mauerfall viel Kultur. Sie ist immer noch da in diesen Rentnern und den anderen Neugörlitzern, die im Bach-Chor unter der hervorragenden Leitung von Reinhard singen. Ich bin glücklich. Die italienischen Soprane und Bässe der "La Scala" hätten die hohen und tiefen Phrasen nicht besser singen können. Keine einzige Phrase ist fehl am Platz oder ausser Tempo: Alles klingt, wie es soll, und noch mehr: kraftvoll und musikalisch.
Die Tempi, die Reinhard oft verwendet, sind langsam. Das ist ein Segen für den aufmerksamen Zuhörer. So kann man Verdis unglaublich reiche Orchestrierung noch besser würdigen. So viele Wagnersche Einflüsse sind jetzt erkennbar. Verdi bewunderte Wagner und die deutsche Kultur überhaupt.
Ich habe das Gefühl, wenn er neben mir säße, würde er meine Hand jetzt greifen und sagen: „Danke für die Einladung. Ich habe lange darauf gewartet, mein Requiem so kraftvoll und doch so demütig zu hören. Ich liebe es!“
Vielleicht war es Verdi selbst, als nach dem Ende des „Sanctus“, ein Triumph für Chor, Orchester und Dirigent, ein Handy im Raum klingelte und seine freudige Kantilene nicht mehr aufhören wollte! Vielleicht war es Verdi, der sich mit Professor Eisenbergs Handy verband, um seinen frenetischen Applaus aus einer anderen Dimension zu zeigen.
Wir lauschten weiterhin allen Stücken, den Arien und dem Rest, berauschend schön gesungen. Beim „Lacrymosa“, langsam wie ein archaischer jüdischer Tanz, würde man so gerne aufstehen, mittanzen und klagen. Im "Offertorium" berühren uns die Stimmen der Sängerinnen und ihre Fürbitten um Gottes Gnade; im "Agnus Dei" klingen die beiden Frauenstimmen im Unisono so perfekt zusammen, dass ich mir wünschte, wie die beiden Sängerinnen, die Polin und die Deutsche, ebenso unsere zwei Nachbarländer zusammenleben würden. Das "Lux eterna" war so ätherisch, dass man fast das Gefühl hatte, als würde sich ein Licht im Raum ausbreiten. Magisch. Das Werk endete mit dem dramatischen „Libera me domine“ mit dem berühmten, am Anfang erwähnten A-cappella-Chor-Sopran Stück, das „Requiem aeternam“, das auch ohne ein "pppp" am Ende, wunderschön klang (in Hoyerswerda am nächsten Tag Alicja schaffte doch ein "pp"). Die katholische Totenmesse endete nach 1 Stunde und 20 Minuten, mit dem langsamen und intensiven Gesang vom Chor und dem Rezitativ der Sopranistin, die wie eine Priesterin skandierte: „Libera me domine de morte aeterna in die irae tremenda. Libera me, libera me."
„Erlöse mich, Herr, vom ewigen Tod an jenem schrecklichen Tag. Befreie mich.“
In dieser Zeit stiegen viele tiefe Emotionen in mir und wahrscheinlich in jedem Zuhörer im Raum auf. Aus tiefster Seele spürte man, wie Sünden und Dämonen durch dieses Werk erlöst werden, und wir uns von unserem Ego befreien. Zumindest hatte ich dieses Gefühl, als das Werk endete und das Publikum nur darauf wartete, dass die Hände des Dirigenten fallen um in einem befreienden Applaus einzusetzen mit "Standing Ovations" für alle Beteiligten.
Auch Verdi stand neben mir auf und sagte mir, er würde sich sehr freuen, wenn ich ihn am nächsten Samstag ins Gerhart-Hauptmann-Theater mitnehme (Premiere von „Nabucco“)! Er liebt schon unsere Stadt!

Nachträglich:
Hier finden unser Leser auch einige Fotos aus Hoyerswerda (Konzert am Sonntag 26.10.2025):



















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